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Zum Glück

07/01/2012

In vielen meiner bisherigen Artikel habe ich von Glück gesprochen, besonders aber in „Zur moralischen Grundlage„. Ich erwähnte dort einerseits, dass „(…) der Wille, der in uns wohnt, der uns zu Handlungen veranlasst und uns fühlen lässt, uns vor allem und in erster Linie nach Glück streben lässt.„, andererseits kam ich durch weitere Überlegungen zu dem Resultat, dass mir die Basis „Handle mit der Absicht, dich selbst und andere Lebewesen möglichst glücklich zu machen.“ als vernünftige, aber auch als intuitive moralische Grundlage sehr plausibel erscheint. Da jedoch, wer seine die Ethik betreffenden Handlungen danach ausrichtet, gewiss auch wissen muss, was denn unter Glück zu verstehen ist, scheint es unumgänglich, diesen doch sehr abstrakten Begriff näher zu beleuchten.

Glück kann, und das ist der erste wichtige Punkt, natürlich sehr vieles sein. Nicht jeder von uns hat dieselben Vorstellungen eines erfüllten Lebens. Wie ich im Artikel „Zur Wahrnehmung“ feststellte, empfinden wir oft sehr unterschiedlich und nicht selten kommt es vor, dass dem einen angenehm ist, was der andere verabscheut. Wir haben neben verschiedenen Weltanschauungen auch ein unterschiedliches Selbstverständnis von uns in der Welt. Kurz: Nicht jeder kann auf dieselbe Art und Weise glücklich werden. Das ist der erste Grund dafür, dass die Suche nach dem Glück im Leben sich so derart schwierig gestaltet.
Wenn wir neben dem Menschen auch andere Lebewesen betrachten, so wissen wir selbstverständlicherweise, dass auch sie die Fähigkeit haben, Glück und Leid zu empfinden. Dies tun sie entsprechend der Ausprägung ihres Bewusstseins, das wiederum von der Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems abhängig ist. Der zweite wichtige Punkt ist also, dass Lebewesen in einem unterschiedlichen Ausmaß dazu imstande sind, glücklich zu werden.

An diesen beiden Punkten wollen wir uns in weiterer Überlegung orientieren. Ich will damit also sagen: Wenn jemand mit der Absicht handelt, sich selbst und andere Lebewesen möglichst glücklich zu machen, dann bezieht er diese Prinzipien bei seiner Entscheidung mit ein. Tatsächlich tun wir nämlich eines täglich: Wir bewerten die Interessen von Lebewesen unterschiedlich. Ein Utilitarist, dem es um reine, quantitative Glückmaximierung geht, unterscheidet nicht, wer glücklich ist und wer leiden muss. Wir aber orientieren uns stets am zweiten Prinzip, nämlich, dass unterschiedliche Lebewesen in unterschiedlichem Ausmaß Glück empfinden können. Am Beispiel: Wir schätzen unsere eigenen Interessen im Gegensatz zu den Interessen einer Fliege als derart gewichtiger ein, dass wir kein Problem damit haben, sie zu töten, allein deswegen, weil sie uns nur durch ihre Anwesenheit lästig ist. Wir schätzen unser dadurch hervorgerufenes Leid also größer ein als das Leid, das entsteht, wenn sie stirbt. Derartiges tun wir bei jedweder Art solcher ethischen Entscheidungen und haben oft, wenn wir ehrlich zu uns sind, eine völlig realitätsfremde Einschätzung davon, welche Interessen bei vernünftiger Überlegung wie schwer ins Gewicht fallen sollten. Manche Menschen gehen mit Tieren um, als hätten diese gar keine Fähigkeit, zu leiden. Nicht selten auch stellen wir unsere eigenen Interessen über die anderer Menschen, was wohl eine Form eines natürlichen Egoismus ist, den man niemandem zum Vorwurf machen kann. Jedoch will ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass man diesen Aspekt immer bedenken sollte, wenn man Glück und Leid mehrerer, vielleicht gar unterschiedlicher Lebewesen auf die Waage stellt und einem Vergleich unterzieht.
Weiters stellt sich im Sinne des ersten Punktes natürlich die Frage, wie wir Menschen überhaupt glücklich werden können. Wie ich im Beitrag „Zum Sinn des Lebens“ feststellte, muss, im Angesicht mehrerer Überlegungen, jeder Mensch sich selbst einen individuellen Sinn, ein Ziel für sein Leben geben. Die ernüchternde Antwort würde demnach lauten, dass auch jeder Mensch selbst einen dementsprechenden Weg finden muss, um glücklich zu werden. Natürlich möchte ich sagen: So wie ich denke, dass es mehr oder weniger sinnvolle Lebensziele gibt, so denke ich auch, dass es mehr oder weniger gute Wege gibt, um glücklich zu werden. In unterschiedlichen Artikeln habe ich bereits davon gesprochen und es wird als wichtiges Thema immer wieder sehr ausführlich vorkommen, ich will mich daher an dieser Stelle diesbezüglich nur noch kurz halten: Ich denke, dass jeder Mensch sich irrt, der in dem Glauben lebt, dass materieller Besitz, der über Notwendiges hinausgeht, irgendeine Form dauerhaften Glückes mit sich bringt; und sich selbst in tiefstem Herzen bewusst ist, dass nichts, was uns selbstverständlich ist, uns Glück schenken kann. An nichts gewöhnt man sich leichter und schneller, als an Reichtum, und ist man erst daran gewöhnt, so ist mit steigenden Ansprüchen auch die Gefahr erwachsen, dass man unter einem Verlust des hohen Standards furchtbar zu leiden hätte.

Was meiner Ansicht nach glücklich macht? Es sind die inneren Ereignisse, denn sie sind von großer Gewissheit und von Dauer. Geistiges Schaffen, gute Gedanken, schöne Erinnerungen, vorzügliche Unterhaltung, aufrichtiges Lachen, große Gefühle, wahre Liebe. Das ist Glück: Ein momentanes, spontanes Gefühl, das sich aufgrund seiner Kurzlebigkeit schwer fassen lässt, das man aber mit der richtigen Methode immer wieder aufs Neue durchleben und genießen kann.

Liebe Grüße,
Mahiat

From → Betrachtungen, Ethik

9 Kommentare
  1. wellblogg permalink

    Sehr schöner Artikel.
    Ebenfalls ein hervorragender Weg um sich unglücklich zu machen ist es, sich der Illusion hinzugeben, es gäbe etwas materielles, das wirklich wichtig ist. Das wirkliches, langlebiges Glück herbeiführen kann. Je mehr wir uns an materielles und leider allzu vergängliches Glück binden, desto größer wird das Loch, in das wir fallen, wenn wir es verlieren. Sei es ein Auto, ein Haus, ein Computer oder gar ein anderer Mensch. All dies ist vergänglich. Es ist vielleicht zunächst eine Kalte Vorstellung, dass selbst die geliebten Menschen, einem nur begrenztes Glück geben können. Jedoch denke ich persönlich, dass wirkliches Glück im Menschen selbst lebt. Wer sich seine eigene Quelle des Glücks erschließen kann, die nicht an diese Welt gebunden ist, sondern an die Eigene, dieser Mensch hat eine Quelle des Glücks erschlossen, die keinen negativen Gegenpol besitzt.
    Da es aber nur natürlich ist, das wir uns an diese unsere Welt binden, in der wir Leben und Leiden,
    folgere ich für mich die Aussage: Mit steigendem Potential des Glücks eines Menschen, vergrößert sich auch dessen potentielles Unglück.

  2. Hallo wellblog. Danke für deinen Kommentar, ich hatte sofort einige Gedanken dazu.

    Mit deinem letzten Satz hast du natürlich Recht, das habe ich hier schon oft abgehandelt: Die Grundempfindungen unseres Daseins, Leid und Glück, stehen in unmittelbarem Zusammenhang, selbst wenn die Abwesenheit des einen nicht unbedingt das Dasein des anderen zur Folge haben muss.
    Das, was du davor schreibst, ist Inbegriff einer stoischen Philosophie, von der ich grundsätzlich sehr angetan bin. Der „unerschütterliche Weise“, von dem beispielsweise Seneca spricht, verzichtet allerdings nicht gänzlich darauf, Freude an äußeren Gütern oder an der Liebe zu anderen Menschen zu haben. Einzig und allein möchte er stets dazu fähig sein, mit dem Verlust auf eine Weise umzugehen, durch die er die Selbstbeherrschung (die einzig wahre Herrschaft) nicht verliert.

    Ich muss sagen, dass mir diese Vorstellung der Stoa gefällt, solange sie sich auf die materiellen Güter bezieht, denn sie bringen keine dauerhaften Freuden. Allerdings denke ich nicht, dass es irgendeine noch so stark geartete, dauerhaft ausgeprägte innere Glücksquelle geben kann, die sich mit dem stärksten Gefühl zu messen vermag, das der Mensch zu empfinden in der Lage ist: mit aufrichtiger Liebe. Dass diese für uns so große Bedeutung hat, liegt in unserer Natur begründet. Immerhin sichert sie in Kollaboration mit dem Sexualtrieb den Fortbestand unserer Art. Wir sind also Wesen mit enorm ausgeprägtem Sozialverhalten, und ich denke, dass der unerschütterliche Weise einen Fehler macht, wenn er – diese Tatsache ignorierend – sich davor verschließt, sich auf jene Emotion voll und ganz einzulassen, die eben allein schon aus einer gewissen Natürlichkeit heraus schöner ist, als alles andere im Leben.

    „Wirkliches Glück lebt im Menschen selbst.“ Das klingt natürlich sehr schön. Jedoch kann sich ein jeder, und sei er noch so sehr Misanthrop, selbst eingestehen, dass er sich, wäre er der letzte Mensch auf Erden, wohl – wenn überhaupt – nur aus einem einzigen Grund nicht selbst töten würde: Wegen der Hoffnung, dass es doch noch einen anderen gibt.

    Liebe Grüße

  3. Wieder ein Artikel, der mich sehr anspricht (u.a. der Satz über Tiere und deren Leiden, durch Menschen zugefügt).

    Sehr gut formuliert – ein ganz toller Beitrag!

    Gruß,
    Sunelly Sims

  4. Ein wundervoller, tiefsinniger Artikel, der es geschafft hat mich so zu berühren, dass ich mich allein beim Lesen desselben glücklich fühle…Danke schön!

    • Das ist schön! 🙂 Vielleicht haben Sie die Möglichkeit, den Artikel in sozialen Netzwerken zu teilen. Das würde mich freuen.

      Danke für das tolle Feedback und liebe Grüße

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