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Zu Gott und Freiheit

05/10/2011

In Diskussionen um die Beschaffenheit und Existenz von Gott ist eben die Definition dieses Begriffes meist von zentraler Bedeutung und Ursprung vieler Missverständnisse. Ich will daher feststellen, dass im Folgenden ein Wesen mit den drei göttlichen Attributen Allmacht, Allwissenheit und Allgüte Gegenstand der Betrachtung und unter „Gott“ zu verstehen ist.

Die erwähnten Eigenschaften bergen bekannterweise viele Paradoxa in sich. So ist beispielsweise das Konzept der Allmacht logisch nicht haltbar. Es gibt hierzu eine Anschauung, ich werde sie schnell erläutern: Ist Gott fähig, einen Stein zu erschaffen, den er selbst nicht stemmen kann? Ob die Frage nun mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet wird (und in der Logik gibt es keine dritte Möglichkeit), Gott ist in dieser Frage tatsächlich zum Scheitern verurteilt und auf irgendeine Weise nicht allmächtig.
Noch bekannter wird aber wohl das sogenannte Theodizeeproblem sein. Unter der Prämisse, dass es auf dieser Welt Übel und Leid gibt, das es nicht geben sollte, werden die göttlichen Attribute ausgehebelt. So kann es sein, dass Gott nicht weiß, dass es auf der Welt Übel gibt. Dann ist er nicht allwissend. Wenn er es weiß, aber nichts dagegen tun kann, ist er nicht allmächtig. Wenn er etwas tun könnte, es aber nicht will, ist er nicht allgütig. Schon Epikur hat diese Frage aufgeworfen und sie ist bis heute wohl das größte Problem der Theologie, weil es selbst aus Sicht vieler Theologen keine adäquate Antwort auf sie gibt. Sehr wohl aber gibt es Versuche, eine Antwort zu finden. Ich will sie hier vorstellen.

Ein Versuch ist es, die Prämisse in Frage zu stellen. Es wird davon ausgegangen, dass es aus der Sicht Gottes dieses Übel und Leid auf unserer Welt tatsächlich sehr wohl geben soll und es daher beabsichtigt ist. Oft wird in diesem Zusammenhang von „Gottes Plan“ gesprochen, der dem Menschen unergründlich ist. Dem wird entgegengestellt, dass sich die Frage auftut, was man denn von einem derartigen Wesen halten soll, das völlig unschuldige Menschen in einem derartigen Ausmaß leiden lässt oder sie sogar bestraft, das kleine Kinder sterben und die Menschen Kriege führen lässt. Der Zweck, „Gottes Plan“ wird unter diesem Aspekt völlig irrelevant; seine Vorgehensweise ist in unserem aufgeklärten Verständnis einfach und in jedem Falle unethisch und inakzeptabel, von Güte kann keine Rede sein. Wer dies aber außen vor lässt, muss sich dennoch fragen, wieso Gott seinen Plan unbedingt vor uns verbergen will. Die Frage nach dem „Warum?“ steht oft im Mittelpunkt eines leiderfüllten Verlustes. Dass diese Frage in der Regel unbeantwortet bleibt, bedeutet nicht gerade eine Linderung der Schmerzen, vielmehr wird völlig unnötiges Übel gesät.

Ein weiterer Versuch besteht darin, über den freien Willen der Menschen zu argumentieren. Dieses Argument deckt allerdings nur Leid ab, dass der Mensch scheinbar selbst zu verantworten hat, beispielsweise die Entstehung der Kriege. Gott hat dem Menschen dieser Ansicht nach jedenfalls die Möglichkeit gegeben, aus eigenen Stücken Entscheidungen zu treffen und zu handeln, und ist in diesem Sinne antiautoritär in der „Erziehung“ der Menschheit. Wer die Überlegung aber weiterdenkt, stößt ebenfalls schnell auf Schwierigkeiten. Ist Gott nämlich allwissend, so besitzt er unbeschränkte Kenntnisse über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Da Gott weiß, wie meine Zukunft aussieht, steht jetzt bereits fest, welche Ereignisse in meinem Leben geschehen werden, wie ich entscheiden und handeln werde, vom wichtigsten Moment bishin zum unbedeutendsten Wimpernschlag ist alles festgelegt. Die Frage ist, wie man sinnvollerweise einen freien Willen definieren kann, wenn ich doch in jeder Sekunde meines Lebens immer und zwingender- und notwendigerweise nur auf eine einzige Art und Weise entscheiden, handeln oder mich verhalten kann. Ich sage, dass eine sinnvolle und vernünftige Definition dadurch unmöglich wird, aber dazu im Folgenden mehr.
Zu dieser Position habe ich mir ein Gegenargument überlegt. Man könnte meinen, Gott wisse zwar in jeder Frage, wie ich mich verhalten werde, das bedeute aber nicht, dass ich mich nicht aus freiem Stück eben so verhalten werde. Gott weiß demnach, welche Entscheidung oder Handlung ich aus freiem Willen setzen werde, er sieht mir sozusagen zu, und weiß immer schon, was passieren wird, doch greift er nicht ein und stört mich nicht bei der Ausübung meiner Willensfreiheit. Durch diese spezielle Sichtweise kann man deutlich machen, dass man den Willen des Menschen an sich als frei betrachtet, unter einer entsprechenden Definition von Freiheit. Letztendlich bleibt aber problematisch, dass die Ereignisse der Zukunft bereits feststehen, und damit auch meine Psyche und mein Wille bestimmt, also determiniert ist, denn Gott hat ja auch Wissen über meine psychischen Vorgänge. Wenn ich in jeder Angelegenheit meines Lebens letztlich und unumstößlich immer nur ein Gewisses wollen kann, und zwar so, wie mein Wille es mir diktiert, so stellt sich mir die Frage, ob mein Handeln unter diesem Gesichtspunkt letztendlich als frei betrachtet werden kann. Ich, als die Existenz, als das Seiende, das ich bin, existiere ja schließlich nicht allein durch meinen Willen.
Oder doch? Bin ich mein Wille? An dieser Frage setzt der Philosoph Arthur Schopenhauer an. Man könnte dieses Problem derart betrachten, dass wir von unserem Willen geleitet werden und letztendlich unter keinem Aspekt wirklich frei handeln und entscheiden können (siehe dazu auch mein Artikel zum Schicksal: https://nachtliteratur.wordpress.com/2011/09/20/zum-schicksal/). Fest steht, dass die allgemeine Definition der Freiheit ein furchtbar schwieriges und letzten Endes unmögliches Unterfangen ist, jedoch jeder eine intuitive Vorstellung davon hat, was für ihn Freiheit bedeutet. Wohl bei keinem Menschen wäre diese Intuition mit dem Gefühl vereinbar, stets im Hinterkopf zu haben, dass er sich im Grunde zwingenderweise nur auf eine ganz bestimmte Weise verhalten kann, zu jeder Zeit, in jeder Angelegenheit. Das Konzept der Freiheit des Willens spießt sich also schlussendlich aus jedem, sowohl aus dem logischen als auch aus dem intuitiven Blickwinkel mit dem göttlichen Attribut der Allwissenheit.

Ich habe vor, mich hier noch öfters zu derartigen Gottesfragen äußern. Auch zur Freiheit und insbesondere zur Freiheit des Willens werde ich noch viel schreiben, denn dieses Thema ist kaum zu erschöpfen. Ich werde mich auch an einer Definition von Freiheit versuchen, die, wie aus diesem Artikel sicher hervorgegangen ist, in meinen Augen viel mehr sein soll, als die bloße Abwesenheit von empfundenen Zwängen. Es würde mich freuen, wenn sich aus alledem eine schöne Diskussion ergeben würde.

Liebe Grüße,
Mahiat

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