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Zur hohen Bedeutung der Philosophie

10/06/2012

Da dies hauptsächlich ein philosophischer Blog ist, möchte ich heute einmal darüber schreiben, welche Gedanken ich zu einer Diskussion habe, die seit langer Zeit schon immer lauter wird. Die zentralen Fragen lauten: Welche Bedeutung hat die Philosophie heutzutage noch, und welchen Nutzen wird sie in Zukunft für den Einzelnen und für die Gesellschaft haben?

Dass die Philosophen in der Vergangenheit den entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Kultur und zur Ausprägung der geistigen und wissenschaftlichen Reife der Menschheit leisteten, ist unumstritten. Zu Beginn der Menschheitsgeschichte waren im Grunde alle Fragen, die der Mensch sich damals stellte, philosophischer Natur. Dies änderte sich, als sich aus der Philosophie heraus unterschiedliche Wissenschaftszweige bildeten und die Menschen begannen, Wissenschaft nicht nur mit der Vernunft, sondern auch mit empirischer Methode zu betreiben. Mit dem Fortschritt der empirischen Wissenschaften wurde der Bereich menschlicher Erkenntnis, der nur dem Denken oder der Vorstellung zugänglich ist, immer kleiner. Früher war dort beispielsweise noch die Frage nach der Form der Erde angesiedelt. Heute gilt sie als geklärt.
Auch in der Gegenwart gibt es noch genügend zentrale Fragen unseres Daseins, die unseren Sinnen, also unserer Beobachtung noch nicht zugänglich sind, die also noch im außerempirischen Bereich liegen. Es sind jene typischen Probleme, die den meisten Leuten in den Sinn kommen, wenn man sie fragt, was sie mit Philosophie verbinden. Dazu gehört beispielsweise die Frage nach der Existenz von Gott. Dass es darauf keine Antwort gibt, die sich empirisch überprüfen ließe, nehmen viele Leute zum Anlass, um der Meinung zu sein, dass es sich gar nicht lohnt, intensiver darüber nachzudenken. Hier setzt meine Kritik an. Wäre nämlich eine solche Mentalität früher schon verbreitet gewesen, wüssten wir vermutlich heute immer noch nicht, welche Form unsere Erde hat. Jede wissenschaftliche Errungenschaft hat ihren Ursprung in einem Menschen, der aus vernünftigen Gründen an etwas geglaubt hat, das er nicht wissen konnte, und der von seiner Sicht der Dinge so überzeugt war, dass er jeden Versuch unternahm, um der Erkenntnis einen Schritt näher zu kommen; selbst, wenn es die allgemeine Meinung oder vielleicht sogar eine unumstößliche Tatsache war, dass die Frage mit den empirischen Mitteln, die dem Menschen zur Verfügung stehen, nicht geklärt werden kann.
Es gibt Fragen über die Beschaffenheit unserer Welt, in denen die Empirie an ihre gegenwärtigen oder absoluten Grenzen stößt und in denen deshalb eine Diskussion darum stattfindet, was vernünftigerweise geglaubt werden kann. In der Philosophie ist nicht „alles richtig und alles falsch“, wie es für Außenstehende scheinbar manchmal den Anschein hat. Jede Position wird nach ihrer Rechtfertigung bewertet, und diese Bewertung kann nach Maßstäben der Vernünftigkeit, also durchaus nach höchst objektiven Maßstäben erfolgen. Vieldiskutierte philosophische Ideen sind für die empirischen Wissenschaften als Anreiz von so hoher Bedeutung, dass ich behaupte: Würde Philosophie nicht mehr in einem solchen Sinne als Wissenschaft betrieben, so hätte dies einen Erkenntnisstillstand der Menschheit zur Folge.

Darüber hinaus werden in der Philosophie Werte diskutiert, also Fragen behandelt, die nichts mit der Beschaffenheit unserer Welt, sondern mit unserer Bewertung ebendieser zu tun haben, und deshalb stets dem außerempirischen Bereich zuzurechnen sein werden. Die Frage nach dem Sinn des Lebens oder die Frage nach den besten ethischen Normen wären Beispiele dafür, wobei die erstgenannte eine wichtige Bedeutung für jedes Individuum, die letztgenannte eine wichtige Bedeutung für jede Gesellschaft hat. Um ein glückliches Leben als Einzelner in einer wohlgeordneten Gesellschaft führen zu können, muss der Mensch sich mit solchen Fragen befassen; nicht zuletzt auch deshalb, weil jedem von uns in unterschiedlichem Ausmaß ein philosophisches Bedürfnis innewohnt.
In einer Gesellschaft wie der Unsrigen steht die Frage nach dem Nutzen im Vordergrund. Unabhängig davon, dass ich im Artikel nun beantwortet habe, auf welche Weise die Philosophie für uns nützlich ist und immer sein wird, möchte ich auf ein weiteres Thema hinweisen, das mir am Herzen liegt: Nicht allein dasjenige, dessen einzige Funktion darin besteht, den technologischen Fortschritt zu befördern, ist hoch zu bewerten. Je aufgeklärter eine Gesellschaft ist, umso eher erkennt sie den Wert von Künsten und Geisteswissenschaften und all der anderen, auch naturwissenschaftlichen Dinge, die zum Zweck haben, Freude zu machen, und umso weniger Bedeutung misst sie den Dingen bei, deren einziger Zweck darin besteht, in obigem Sinne zu funktionieren. Zwei Dinge sollte man nicht verwechseln: Das, was notwendig ist, um glücklich zu leben, und das, was hinreichend ist, um glücklich zu leben. Zu ähnlichen Themen habe ich bereits mehrere Artikel geschrieben, zum Beispiel „Zur Geisteswissenschaft und Kunst“ oder „Zur Leistungsgesellschaft„. Vielleicht hat jemand Lust, weiterzulesen.

Liebe Grüße,
Mahiat

2 Kommentare
  1. paulagrimm permalink

    Guten Tag Mahiat,

    da ich nicht weiß, ob mein erster Kommentarversuch durchgekommen ist, probiere ich es noch einmal. Der Post hat mich animiert deinem Blog zu folgen. Es ist ein sehr gut verfasster Artikel. Obwohl sie nicht erwähnt werden, musste ich an die „praktischen Philosophen“ denken, die ein spezielles Coaching für Menschen anbieten, die ihr Leben neu ordnen müssen oder möchten. Dabei geht es darum zu lernen, angemessene Fragen genau zu stellen. – Bekommt der moderne Mensch zu viele Antworten auf ungestillte Fragen, z. B. durch die Medien? – Haben viele Menschen schon das Fragen verlernt?

    Liebe Grüße

    Paula

  2. Hallo paulagrimm,

    ich danke dir für deinen Kommentar. Von philosophischen Praxen habe ich schon manchmal gehört, sie können meinen Ausführungen als Beispiel gut hinzuzufügt werden.

    Ich hoffe, du findest noch andere Artikel, die dir gefallen. Liebe Grüße!

    Markus

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