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Zur Bestrafung von Pädophilen

07/12/2011

Wohl gibt es kaum irgendwelche Verbrechen auf dieser Welt, die uns schlimmer erscheinen könnten, als jene an den kleinsten und hilflosesten Wesen, an den Kindern unserer Gemeinschaft. Nun stellt sich uns, die wir darüber nachdenken, die Frage, wie jemand bestraft werden sollte, der sich entsprechender Taten schuldig gemacht hat. Und wer sich mit oberflächlichen Überlegungen nicht zufrieden gibt, wird schnell bemerken, dass er in diesen Angelegenheiten seinen Gefühlen allein kein Vertrauen schenken darf.

Unter der Voraussetzung, dass in unserem Universum jedes Ereignis eine Ursache hat, ist alles Geschehen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestimmt. Alles, was in der Vergangenheit passierte, was gegenwärtig passiert oder in Zukunft noch passieren wird, kann daher nur auf die eine Art und Weise geschehen, die diese bestimmende Kausalität zulässt. Der folgende Artikel setzt diese Erkenntnis als Prämisse voraus. Wer damit nicht einverstanden ist oder bezüglich der Begriffe Verständnisschwierigkeiten hat, den mag ich auf den Beitrag „Zum Schicksal“ verweisen. Dort wird alles ausreichend erklärt.
Im Bezug auf die Bestrafung von straffällig gewordenen Pädophilen tendieren nicht nur ungebildete Menschen zu Mittel, die wir seit längerer Zeit aus dem Strafrecht unseres Staates verbannt haben. Insbesondere meine ich damit die Folter, die Zwangsarbeit und die Todesstrafe. Alle drei Methoden widersprechen den Menschenrechten. Argumentiert wird diese Position also meist dadurch, dass man behauptet, dass Pädophile durch ihre Taten alle Rechte eines Menschen verloren hätten. Diesen Standpunkt möchte ich angreifen.

Ich denke, ich würde einen Fehler machen, würde ich die Menschenrechte dogmatisch als gegeben hinnehmen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die Formulierung ebenjener das Ergebnis einer jahrhundertelang dauernden intellektuellen Tätigkeit der leistungsfähigsten Köpfe unseres bisherigen menschlichen Daseins waren, kurz gesagt: Ein Produkt der Aufklärung. Ich denke, man könnte jedes Menschenrecht sowohl auf rationale als auch auf empirische Art und Weise rechtfertigen. Unter diesem Gesichtspunkt verteidige ich sie, soweit sie mir selbst plausibel erscheinen, und bekämpfe jede Person, jede Gesellschaft, jede Religion, die diese Prinzipien mit Füßen treten.
Nun möchte ich aufgreifen, was ich als Prämisse vorausgesetzt habe: Man vergegenwärtige sich die Vorstellung, mit einer psychischen Krankheit geboren zu sein, namhaft Pädophilie, die jeden Kopfe dazu zwingt, sich im Bezug auf Kinder zu pervertieren und sich in Folge auch an ihnen zu vergreifen, weil darin ein Zwang besteht, dass dieser Krankheit nicht widerstanden werden kann; ebenso, wie die wenigsten Drogensüchtigen, die die gegebenen neurologischen Voraussetzungen für ihre Sucht haben, dieser widerstehen können. Wer sich daher zurecht fragt, was diese Anomalie erzeugt haben könnte, den mag ich auf die bereits beschriebene Kausalität hinweisen, auf die pränatalen und postnatalen Einflüsse, mit denen sich ein Mensch konfrontiert sehen muss. Wir sind alle ein Produkt unserer genetischen Vergangenheit und unserer Umwelt. Daraus kann, in unserer Sicht der Dinge, das Beste und gleichermaßen das Schlimmste entstehen. Wir sind es, die in dieser Hinsicht eine Wertung erteilen.
Und welchen Einfluss hat ein Individuum darauf, welche Voraussetzungen ihm gegeben sind? Welchen Einfluss hat es darauf, ob es die Eigenschaft der Willensstärke hat, die Eigenschaft der Schönheit, die Eigenschaft der Intelligenz, die Eigenschaft der objektiven Urteilskraft? Welchen Einfluss hat es darauf, ob es psychisch krank ist? Wir haben niemals Einfluss darauf, was aus uns wird; wir sind nur Spielfiguren der Kausalität. In diesem Sinne sollen wir weder stolz sein, noch uns schuldig fühlen. Wir sollen lediglich versuchen, so glücklich zu werden, und also auch andere Wesen so glücklich zu machen, wie es uns möglich ist, und ebenso bei Lebewesen Leid zu mindern, die aufgrund ihrer schlechten Voraussetzungen nicht glücklich sein können.

Ein an der Pädophilie erkrankter Mensch kann in unserer Gesellschaft nicht unbeschwert und zufrieden lieben. Aus rationaler Sicht kann man es niemals vertreten, einen psychisch kranken Menschen aufgrund der Handlungen zu foltern, zu denen ihn seine psychische Krankheit getrieben hat. Dennoch würde ich es nie einem Angehörigen eines Opfers verdenken, würde er dies fordern. Nur hat es einen Grund, dass aus vernünftiger Sicht die Prävention zukünftiger Verbrechen das größte Augenmerk bekommt, und dass Richter in einen Fall nicht persönlich involviert sein dürfen. Man möge sich in jeder Angelegenheit, die sich auf dieser Welt ereignet, stets im objektivsten Sinne die Ursache vergegenwärtigen. Und man möge die Pädophilie als Krankheit, nicht die Pädophilen bekämpfen. In diesem Sinne ist auch mit der Todesstrafe niemals etwas gewonnen. Denn wer sie anwendet, führt Krieg gegen Symptome in einer Sache, in der gegen die Ursache Krieg geführt werden sollte. Wie soll man etwas über Pädophilie herausfinden, wenn man alle Pädophilen tötet? Wie soll man Pädophilie bekämpfen, wenn man sich die Möglichkeit nimmt, sie durch humane Forschung im Sinne der Menschenrechte zu ergründen?
Selten ist die Welt so simpel, wie man sie gerne hätte; insbesondere im Bezug auf die Differenzierung zwischen Gut und Böse. Wir sind alle Trauergestalten eines Schauspiels, in dessen Angesicht wir versuchen sollten, das Beste daraus zu machen.

Liebe Grüße,
Mahiat

4 Kommentare
  1. Du schreibst an einer Stelle: „…Pädophilie, die jeden Kopfe dazu zwingt, sich im Bezug auf Kinder zu pervertieren und sich in Folge auch an ihnen zu vergreifen, weil darin ein Zwang besteht, dass dieser Krankheit nicht widerstanden werden kann.“
    Willst du damit sagen, wenn man pädophil ist, kann man dem nicht widerstehen und muss sich an Kindern vergreifen? Das finde ich gar nicht, und es gibt ja sogar Hilfsstellen, an die sich Leute mit dieser Krankheit wenden können. Wenn sie es nur wollen, können sie Hilfe bekommen und zumindest versuchen, sich der Krankheit zu widersetzen. Und wer das wirklich will, schafft es auch, da bin ich ganz sicher. Wenn sie sich an Kindern vergreifen, ist es zumindest teilweise ihre eigene Schuld und ich finde, man darf es nicht einfach auf die Störung schieben. Zu einer Misshandlung gehört (oft) auch Planung, und oft dauern solche Fälle über Jahre hinweg an, und manche dieser Menschen (nicht alle natürlich, es gibt sicher viele Pädophile, die keiner Fliege etwas zuleide tun könnten) tun es mit einer unfassbaren Grausamkeit und empfinden dabei kein Leid darüber (oder Mitleid für das Kind), sondern erfreuen sich einfach an ihrem eigenen Spaß.
    Du hast Recht damit, dass man nichts dafür kann, wenn man pädophil ist. Dann ist man es halt und muss irgendwie damit leben, auch wenn es schlimm für die Person ist. Aber man kann was dafür, wenn man ein Kind misshandelt.

    Ich stimme aber darin überein, dass man die Krankheit erforschen und bekämpfen muss, und dass es wenig Sinn hat, den Pädophilen zu foltern, nur damit man seine Rachegefühle besänftigen kann.

    Ein Mensch bleibt ein Mensch mit Rechten, egal was er getan hat. Aber ihm die Schuld abzusprechen, weil er eben unter dieser Krankheit leidet und gar nicht anders kann, halte ich für sehr unangebracht.

  2. Hallo Alea,
    erst einmal Danke für deinen Kommentar. Ich habe zu diesem Artikel bereits viele Diskussionen auf Facebook und Co. geführt und mich hat gewundert, dass sich hier noch kein Leser zu Wort gemeldet hat, da viele meiner Aussagen sehr direkt formuliert sind und für den, der nur diesen Artikel und nicht auch andere, hierfür wichtige Beiträge meines Blogs gelesen hat, durchaus seltsam und unverständlich erscheinen müssen. Es freut mich daher, dass du hier geschrieben hast und ich will das zum Anlass nehmen, um einige Dinge klarzustellen, die mir im Laufe der anderen Diskussionen noch eingefallen sind.

    1) Das Lesen und Verstehen des im Artikel erwähnten Beitrages „Zum Schicksal“ ist wohl unumgänglich zum Verständnis dessen, was ich hier geschrieben habe. Das möchte ich noch einmal ganz klar hervorstreichen. Ich will ihn inbesondere dir ans Herz legen, da deine Fragen dadurch geklärt werden könnten. Ich möchte dich sogar bitten, ihn gleich zu lesen. So wirst du diesen Kommentar hier viel besser nachvollziehen können. Anmerkung: Über die Plausibilität des kausalen Determinismus will ich an diesem Ort nicht sprechen, eine solche Diskussion gehört zum entsprechenden Artikel.
    2) Im Angesicht des kausalen Determinismus wird jeglicher Begriff von Schuld oder Stolz obsolet. Das bedeutet nicht, dass wir große Leistungen nicht würdigen und schlechte Handlungen nicht bestrafen sollen, denn auch Würdigung und Bestrafung können in kausalem Sinne Ursache für ein besseres Verhalten sein. Es bedeutet vielmehr, dass die Bestrafung diesem Gedanken entsprechend nicht darauf abzielen soll, den straffälligen Menschen leiden zu lassen, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass er unter den Umständen, die sein Leben ihm beschert hat, nicht anders hat handeln können, nicht anders hat fühlen können, nicht anders hat denken können, als eben so, wie er es getan hat.
    3) Es gibt unterschiedlich starke Formen von Pädophilie. Die gemeinhin vertretene Meinung ist die, dass die Menschen umso verabscheungswürdiger sind, je mehr die Krankheit sie eingenommen hat. Die Wahrheit ist, dass sie, je eingenommener von der Krankheit, umso weniger fähig sind, ihr zu widerstehen.

    Woran liegt es, wenn Menschen fähig waren, der Pädophilie zu widerstehen?
    Dass die Krankheit nicht stark genug war? Dann hatten sie Glück, dass es so war.
    Dass sie vom richtigen Psychiater betreut wurden? Dann hatten sie Glück, an ihn geraten zu sein.
    Dass sie genug Willenskraft hatten? Dann hatten sie Glück, dass sie mit dieser Willenskraft geboren wurden oder unter Umständen gelebt haben, die sie diese Willenskraft haben ausbilden lassen.
    Dass sie gute Menschen waren, die niemandem Leid zufügen wollen und sich nicht am Leid anderer ergötzen? Dann hatten sie Glück, dass sie im Zuge ihrer genetischen und umweltbedingten Voraussetzungen zu solchen Menschen geworden sind.

    Die, die nicht gegen die Pädophilie ankämpfen können, auch die (und das ist die härteste Konsequenz, die wir am wenigsten wahrhaben wollen), die die nicht gegen die Pädophilie ankämpfen wollen, die am Verbrechen ihren Spaß haben, hatten Unglück, weil die Bedingungen ihres Lebens dazu führten, dass aus ihnen das wurde, was aus ihnen wurde.

    Ich hoffe, du verstehst den Beitrag nun ein wenig besser. Vielleicht kannst du auch nachvollziehen, dass es mir sehr schwer fällt, die enormen Konsequenzen einer deterministischen Weltsicht gerade an einem solch emotionalen Beispiel wie dem der Pädophilie erklären zu müssen. Alles in unserer Welt ist determiniert: Ob du nun intelligent, einfühlsam, schön, krank, erfolgreich, sportlich, dick, dünn oder drogensüchtig bist, was du denkst, fühlst, was du warst und was aus dir werden wird, auf nichts kannst du stolz sein, für nichts musst du dich schämen. Manchmal hilft es, das zu tun, um gut zu bleiben oder sich zu ändern. Doch auch ob man es tut, ist determiniert. Freier Wille ist Suggestion. Wir sitzen nicht am Steuer, jeder Wimpernschlag unterliegt der Kausalität. Die einen haben Glück und verbringen hier auf Erden eine gute Zeit, die anderen nicht. Das ist das Spiel des Lebens.

  3. Ich musste das öfter durchlesen, aber ich verstehe den Beitrag jetzt tatsächlich ein wenig besser. Dann liegt unsere Meinungsunterscheidung also gar nicht in dem Punkt zur Bestrafung von Pädophilen, sondern im kausalen Determinismus. Ich seh das nämlich anders und denke sehr wohl, dass wir wenigstens teilweise am langen Hebel sitzen. Ich will mich einfach nicht damit zufriedengeben, dass alles für mich schon vorbestimmt ist und eigentlich völlig egal ist, was ich mache, da ich mich für Faulheit und Nichterfolg ja eh nicht schämen muss, wenn ich ja nix dafür kann.
    Vielleicht sind bei mir auch nur zu viele Emotionen bei diesem Thema dabei, weil ich eine Freundin habe, die einen pädophilen Vater ertragen musste, und der kam mir gar nicht so vor, als wäre es ein armer Wurm, der äußeren Kräften folgen muss. Auch Willenskraft kann man erlernen, ob man nun damit geboren wurde oder nicht.

  4. Ja, wenn man zum ersten Mal vom kausalen Determinismus hört, dann kann man sich selten sofort mit dem Gedanken anfreunden; oft einfach deswegen, weil er mit unseren Intuitionen nur schwer verträglich ist. Ich habe über dieses Thema erst heute wieder eine angeregte und wunderbare Diskussion geführt. Auch wir können gerne ein Gespräch darüber führen und du kannst mir beim Artikel „Zum Schicksal“ schreiben, welche meiner Argumente dir nicht schlüssig erscheinen; natürlich nur, wenn du wirklich Lust dazu hast.
    Hier nur noch kurz ein Punkt, der dir vielleicht auch das weitere Verständnis erleichtern könnte: In der Frage nach der Plausibilität des kausalen Determinismus spielt es keine Rolle, ob dies eine Weltanschauung ist, deren Konsequenzen wir mit unserem emotionalen Empfinden vereinen können. Das lässt sich allgemein sagen: Eine Weltanschauung muss uns nicht „gefallen“, um plausibel zu sein.

    Liebe Grüße

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