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Schwarzblau

29/09/2017

Seit Jahren drängt die FPÖ auf „Null-Obergrenzen“ und „Minuszuwanderung“, will mittellosen Immigranten in einem der reichsten Länder der Welt die für das Staatsbudget absolut belanglose Mindestsicherung streichen und wundert sich gleichzeitig über Parallelgesellschaften und erhöhte Kriminalitätsraten. Sie fordert Steuerentlastungen für Reiche und Großunternehmen, reduziert Sozialleistungen für die Mittel- und Unterschicht und verkauft sich trotzdem erfolgreich als Arbeiterpartei. Und diese Partei, die die Freiheit im Namen trägt, hat das bornierteste und konservativste Gesellschaftsverständnis, lehnt fast alle Familienkonzepte ab, hat für die freie Kunst weder Subventionen noch sonst irgendetwas übrig, zeigt immer wieder ein alarmierendes Verständnis von offener Meinungsäußerung, befürwortet Kleidungsvorschriften und würde wohl selbst in die engsten und privatesten Lebensbereiche der Menschen eindringen, wenn sie nur die Macht und Möglichkeit dazu hätte. Alle ihre Unzulänglichkeiten, Fehler und Skandale sind nach einigen Wochen wieder vergessen, und die meisten ihrer Wähler scheinen über die FPÖ überhaupt nicht mehr zu wissen, als dass sie für das „christliche Abendland“ und gegen „den Islam“ kämpft.
Ein junger und schwiegersöhnlicher Kandidat, der sich für Rechtspopulismus nicht zu schade ist: das ist das hundertprozentige Erfolgsrezept für österreichische Politik. Jörg Haider hat es bewiesen und Heinz-Christian Strache hat daran angeknüpft. Mittlerweile aber ist der Letztere weder jung noch schwiegersöhnlich, und passt nicht mehr ins obige Profil. Langsam und widerwillig räumte er in den letzten Jahren die besagte Position in der österreichischen Politlandschaft frei. In ihrer Not nutzte die ÖVP nun die Gelegenheit und hat den Posten mit Sebastian Kurz nachbesetzt. Laut Umfragen gewann die Partei dadurch 15% in zwei Wochen. Seither wettert Kurz bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit über den Islam, während er in anderen Belangen eine ähnlich neoliberale und gesellschaftsgefährdende Agenda verfolgt wie die FPÖ. Gesprächsstil und Verhalten in den sozialen Medien erinnern mehr und mehr an Strache, während dieser hilflos daneben steht.

Strache muss nicht allzu unglücklich sein, denn aller Voraussicht nach wird er in einigen Wochen zum Vizekanzler angelobt. Durch die Ankündigung Christian Kerns, bei einem zweiten Platz der SPÖ in Opposition gehen zu wollen ([1]), scheint Schwarzblau besiegelt. Wem das noch nicht unheimlich genug ist, dem fällt bei dem Studium der letzten Umfragen noch eine weitere Gefahr auf: das Schwinden der Opposition. Die letzten Erhebungen können auf neuwal.com verfolgt werden und bieten ein ausgesprochen, ja viel zu ([2]) homogenes Bild. Die vom Institut ‚Unique Research‘ am 29.09. veröffentlichte Befragung von 1500 Menschen macht da keine Ausnahme und kommt zu folgendem Ergebnis: ÖVP 34, SPÖ 27, FPÖ 25, GRÜNE 4, NEOS 4, PILZ 4. Auch der Trend zeigt eine Wählerbewegung hin zu den drei Großparteien. Die drei Kleinparteien hingegen kämpfen zurzeit alle um den Einzug in den Nationalrat, der ja bekanntlich das Überwinden der 4%-Hürde voraussetzt. Im Moment ist es unwahrscheinlich, dass alle drei Listen diesen Kampf verlieren; gleichzeitig ist es nicht auszuschließen. Für die Nationalratswahl am 15. Oktober gebe ich daher Folgendes zu bedenken: Je nach persönlichen Präferenzen ist neben einer Stimme für die SPÖ auch jede Stimme für eine der drei kleineren Parteien wertvoll, um der vermutlich nicht mehr zu verhindernden schwarzblauen Regierung zumindest eine einigermaßen handlungsfähige Opposition entgegenzusetzen.

Liebe Grüße
Mahiat

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