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Zum Bildungssystem

25/11/2013

Zweifellos spielen Fragen der Bildung und der systematischen Kinder- und Jugendlichenerziehung eine wichtige Rolle in der Lebenspraxis eines jeden Mitglieds der Gesellschaft. In direkter oder indirekter Form betrifft dieses Thema die meisten Leute fast ein ganzes Leben lang. In der Diskussion wird die Bedeutung eines die gesamte Bevölkerung umfassenden Bildungssystems offenkundig: Es handelt sich um eine tragende Säule der Zivilisation, um eine Voraussetzung für ein Zusammenleben auf der Basis des moralischen Gleichheitsgrundsatzes und um eine individuelle Orientierungshilfe, die junge Menschen verschiedene Lebensbereiche und Möglichkeiten zur beruflichen oder privaten Beschäftigung und zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit kennenlernen lässt, also Wege zur Stillung von grundlegenden menschlichen Bedürfnissen, die in unmittelbarem Zusammenhang zu einem glücklichen Leben stehen.

Die praktische Frage, wie die Erziehung und die Wissensvermittlung gestaltet werden sollen, hängt von der zentralen Frage nach dem damit beabsichtigten Zweck ab. Letztere ist zutiefst philosophischer Gestalt. Ich habe im Prinzip eben erläutert, worin ich den Sinn systematisierten Unterrichts sehe. Selbstverständlich kann ein Bildungssystem unter geeigneten Umständen noch viel mehr sein als nur das, was sich in meiner Beschreibung findet. Einfacher jedoch fällt vielleicht eine Zusammenfassung dessen, was es definitiv nicht sein sollte: etwa ein hässliches Spiegelbild der kritikwürdigen leistungsorientierten Gesellschaftsstrukturen, oder ein System des zwanghaften Zeittotschlagens im Rahmen einer vom Schüler als zutiefst sinnlos empfundenen Beschäftigung, oder eine Vernachlässigung der individuellen Förderung. Auf dementsprechende  Überlegungen werde ich an späterer Stelle noch einmal zurückkommen.
Die Art und Weise gegenwärtiger Schulformen und des dort üblichen Unterrichts ist fest verankert in den Köpfen derjenigen, die damit groß geworden sind. Es bedarf daher einiger Vorstellungskraft und Kreativität, um sich überhaupt Konzepte denken zu können, die davon völlig verschieden sind. Dass gewisse Mängel an der durchschnittlichen Schulpraxis offenbar sind, hat jedoch trotzdem zur Entwicklung bekannter alternativer Ansätze geführt. Die umstrittene Frage nach deren Potential möchte ich jetzt keineswegs besprechen, ebenso wenig andere Ideen und Antworten auf die oben gestellte praktische Frage, die mir relativ schwierig und komplex erscheint. Doch stelle ich gewisse Ansprüche an einen von mir als gut befundenen Unterricht und habe mir Gedanken zu einer wünschenswerten Erziehung gemacht, die ich hier teilen möchte.
Ich bin kein Idealist und glaube, dass es ein großes bis ausuferndes Maß an Idealismus braucht, um heutzutage mit Ehrgeiz und Aufrichtigkeit den Berufswunsch des Lehrers zu verfolgen. Das gilt insbesondere dann, wenn man selbst große Freude an den Gegenständen hat, die man unterrichtet. Der Grund liegt in den Bedingungen, unter denen die Wissensvermittlung in der Schule stattfindet, und näherhin am fehlenden oder wenigstens gut versteckten Interesse, mit dem man ständig konfrontiert wird und das man den Schülern nicht wirklich verübeln kann. Denn der Inbegriff für die Situation, in der die Wissensvermittlung in der Schule stattfindet, ist jener der Pflicht. Und jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass Lernen nur dann effizient vonstatten geht, wenn ihm eine intrinsische Motivation zugrundeliegt, also ein inneres Bedürfnis des Schülers. Während daher etwa natürliche Neugierde ein größerer Garant für den Schulerfolg ist als Intelligenz, scheint sich äußerer Zwang hingegen hemmend auf den Lernfortschritt auszuwirken. Dass Pflicht ein immanenter Bestandteil eines Unterrichts für die gesamte Bevölkerung ist und sich daran auch grundsätzlich nichts ändern lässt, mag das größte psychologische Problem der systematischen Erziehung sein.
Eine vernünftige Konsequenz könnte man daraus ziehen, indem man den Unterricht weitestgehend entregelt und individualisiert. Wenn wir die Frage nach den zur Verfügung stehenden Kapazitäten außen vor lassen, dann wird rasch offensichtlich, dass die übliche Methodik des gemeinsamen Stundenplans für alle Schüler, des frontalen Unterrichts und des mit empfindlichen Übeln in Zusammenhang stehenden Leistungsdruckes in diesem Sinne ungeeignet ist. Nach der Vermittlung aller Grundlagen wäre eine Förderung des Einzelnen vorzuziehen, eine Konzentration auf gewisse Bereiche, und zwar nicht in erster Linie hinsichtlich seiner Stärken, sondern hinsichtlich seiner Interessen. Diese sind ja, wie ich bereits feststellte, eine notwendige Bedingung für effizientes Lernen, und davon abgesehen mit einer erheblichen Freude des Schülers verbunden, mit der er sich dieser Beschäftigung dann vielleicht auch nach der Schulzeit im Rahmen eines Berufes oder privat widmen wird. Der wichtigste Punkt ist aber, dass der Schüler in den anderen Bereichen nicht mit Stress, Druck oder Zwang konfrontiert wird, oder durch sie gar gehindert an der von ihm gerade bevorzugten Tätigkeit.

Eigentlich sollten die Mittel vorhanden sein, um einen Schritt in diese, hier noch recht unkonkret dargestellte Richtung zu gehen. Im Grunde hat ja jeder Lehrer die Möglichkeit, seinen Unterricht diesbezüglich etwas umzugestalten. Man mag der Ansicht sein, dass die Produkte eines solchen Systems auf dem Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sein würden. Das halte ich für Unsinn. Diese Generation wäre selbstständiger und interessierter als unsere, möglicherweise eigenwilliger und freiheitsliebender, aber gewiss bunter, sich echter Pflichten viel bewusster, auch weniger demotiviert, weniger arbeitsscheu und weniger starrsinnig. Doch mit Sicherheit wäre sie zufriedener. Und schlussendlich soll das das Ziel jeglicher Veränderung sein: Eine Gesellschaft mit zufriedenen Mitgliedern.
Dieser Artikel befasste sich mit allgemeinen Überlegungen zu den Bildungsdebatten. Wer weiterlesen möchte, sei auf den etwas konkreteren Beitrag „Zur Religion in Schulen“ verwiesen.

Liebe Grüße,
Mahiat

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