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Zum Nationalstolz

30/05/2012

„Ich bin nicht stolz, Österreicher zu sein. Ich bin nicht dankbar, Österreicher zu sein. Einzig und allein richtig ist: Ich bin glücklich, Österreicher zu sein.“
Das habe ich vor vielen Monaten im Artikel „Zu rechter und rechtsextremer Politik“ geschrieben. Heute habe ich etwas, das mir in den letzten Wochen oft gefehlt hat, nämlich die Zeit und daher die Möglichkeit, etwas nachzuholen, das ich schon damals vorhatte: Ich will mich mit Patriotismus und dem Begriff des Nationalstolzes genauer auseinandersetzen und ich denke nicht, die Bedeutung dieses Themas zu überschätzen, wenn ich der Ansicht bin, dass die Diskussion desselben in der gegenwärtigen Politik Österreichs eine wachsende Rolle spielt.

Ich will damit beginnen, verschiedene Formen der Verbundenheit zum eigenen Staat nach Ausprägung zu unterscheiden. Oben auf dieser Liste steht jedenfalls eine radikale Auffassung eines Nationalismus, die als Kernbotschaft den geringeren Wert anderer Nationen im Vergleich zu der eigenen betont und dementsprechend zu Diskriminierung und offener Feindseligkeit führt. Eine gemäßigtere Form des Nationalismus wird vor allem den hohen Wert und die Wichtigkeit der Solidarität gegenüber der eigenen Nation betonen, ohne bewirken zu wollen, anderen Staaten solche Werte abzusprechen; obgleich jede Form des Nationalismus natürlich das Wohl der eigenen Nation über das Wohl einer jeden anderen stellt. Eine weit weniger extreme und in manchen Fällen gar unpolitische Form der Verbundenheit zum eigenen Staat ist der Patriotismus. Dieser Auffassung liegt in erster Linie eine emotionale, weniger eine rationale Motivation zugrunde. Oft ist nämlich von Heimatliebe die Rede. Patriotische Menschen mögen Land, Leute und Bräuche. Typischerweise verbinden sie den Wert ihrer eigenen Person auf eine meist nicht näher erklärte Weise mit der Eigenschaft, als Bewohner des Staates zu gelten. Dadurch entsteht ein Gefühl, das gemeinhin Nationalstolz genannt wird. Diese Bezeichnung will ich nun genauer untersuchen.

Da ich mich ja nicht nur in dieser Hinsicht, sondern auch auf anderen Ebenen mit dem Begriff des Stolzes beschäftige, musste ich feststellen, dass man es hier mit einem ganz besonders vielseitigem Begriff zu tun hat. Ich will daher zum Zwecke einer ausführlichen Definition weiter ausholen. Es gibt beispielsweise einen sprachgebräuchlichen Unterschied zwischen dem Stolzsein als Zustand und dem Stolzmachen als Vorgang. Bevor ich davon spreche, was ich darunter verstehen will, möchte ich noch erklären, was es bedeutet, Achtung vor jemandem zu haben. Wir achten jemandem, wenn wir das, was diese Person getan hat oder tut, über die Billigung hinaus besonders gutheißen. Selbstbezogen nenne ich im Folgenden eine Achtung, wenn uns das zutreffende oder unzutreffende Gefühl begleitet, an dem Werk oder an dem geachteten Menschen, also an dem, was wir so loben, auf irgendeine Weise über die Achtung hinaus Anteil zu nehmen; beispielsweise dadurch, dass wir eine besondere Bindung zu dem Menschen haben, oder dadurch, dass wir an dem Werk tatsächlich selbst beteiligt waren. Ich will nun den Stolz im Bezug auf Menschen betrachten. Stolz zu sein auf A, das bedeutet, eine selbstbezogene Achtung zu haben vor A. Macht etwas B stolz auf A, so hebt etwas die selbstbezogene Achtung, die B vor A hat. Man bemerke, dass A und B hier ein und dieselbe Person bezeichnen können. Wir sagen dann einfach, dass etwas A stolz macht. Beispiel: Macht eine Leistung, die A erbracht hat, ihn stolz (auf sich selbst), so hebt sie also die (klarerweise selbstbezogene) Achtung, die A vor sich selber hat. Natürlich wird das Wort „Stolz“ nicht nur im Sinne irgendeiner Achtung verwendet, sondern oft auch synonym zum Begriff des Selbstbewusstseins oder des Selbstwertes oder ähnlichem. Wir sehen aber, dass das Gefühl, das damit verbunden wird, schlussendlich immer auf eine Form der Achtung oder Hochachtung hinausläuft, und da es deshalb nicht zu Einschränkungen führt und ich glaube, mit obigen Ausführungen sowohl dem Sprachgebrauch als auch einer handlichen Definition zu genügen, möchte ich im Folgenden gerne bei der dargestellten Verwendung der Begriffe des Stolzseins und Stolzmachens bleiben.
Nun überlegen wir uns, ob wir stolz auf uns sein können, weil wir Angehörige eines ganz bestimmten Staates sind. Kann es unsere Achtung vor uns selbst heben, wenn wir wissen, dass wir ein bestimmtes Land bewohnen? Können wir uns tatsächlich vorstellen, dass unsere Achtung vor uns selbst sinken würde, würden wir auf dieselbe zufällige oder unerklärliche Weise unsere Staatsbürgerschaft verlieren, durch die wir sie durch unsere Geburt zu rechter Zeit und an rechtem Ort erlangt haben? Niemand kann das ernsthaft glauben. Die Zugehörigkeit zu einer Nation ist vielleicht für Zugewanderte, keinesfalls aber für Eingeborene mit irgendeiner Form selbsterbrachter Leistung verbunden, durch die man Achtung empfinden könnte. Der Stolz darauf, Österreicher zu sein, ist für den hier Geborenen in seiner Absurdität vergleichbar mit dem Stolz darauf, ein Mann oder eine Frau zu sein.
Oft hört man: „Ich bin stolz auf mein Land.“ Eine solche Aussage lässt natürlich die notwendige Genauigkeit zu wünschen übrig, was in diesem Fall unter dem „Land“ zu verstehen ist. Meist ist nicht das Land an sich, sondern sind gerade andere Menschen gemeint, mit denen man persönlich eigentlich nichts zu schaffen hat, die aber irgendeine Form großartiger Leistung erbracht haben. Bei Sportveranstaltungen glaubt der Patriot, es sei auf irgendeine Weise seine eigene Ehre (ein Begriff, dem ich mich vermutlich bald in einem anderen Artikel widmen werde), die auf dem Spiel stünde, obwohl er selbst mit der Sache nichts zu tun hat. Wenn er also sagt, dass er stolz auf sein Land sei, und damit dann zum Beispiel meint, dass er stolz auf bestimmte Sportler sei, dann bedeutet das ja, dass deren Leistung die selbstbezogene Achtung hebt, die er vor ihnen hat. Die entscheidende Frage ist aber, warum diese Achtung Selbstbezug haben soll. Auch der Patriot bringt den Sportlern anderer Länder im Normalfall Achtung entgegen und würdigt ihre Triumphe, jedoch würde er nie sagen, er sei stolz auf sie, weil er weiß, dass es nicht seine Angelegenheit ist. Wenn er nun aber stolz auf die Sportler im eigenen Land ist, dann deswegen, weil er denkt, dass er an der Leistung dieser irgendwie beteiligt ist, oder weil er glaubt, dass ihn mit diesen Personen etwas verbindet. Da Ersteres bis auf wenige Ausnahmen (Antrieb der Mannschaft durch Publikum, etc.) nicht der Fall ist, wird zur Begründung des Stolzes in vielen Fällen Letzteres herangezogen. Nun ist aber das einzige relevante, das der Patriot mit dem Sportler gemein hat, die Zugehörigkeit zur selben Nation; und selbst die ist nur scheinbar relevant. Würde dies nämlich als Begründung genügen, so könnte der Patriot ebenso stolz auf jeden anderen Bürger des Staates sein, der eine lobenswerte Beschäftigung gut ausführt. Wenn man es genauer betrachtet, ist es ebenso absurd und widersinnig, auf einen anderen stolz zu sein, nur weil man derselben Nation angehört, wie auf einen anderen stolz zu sein, weil man demselben Geschlecht angehört.
Schließlich lässt sich also sagen, dass die beiden möglichen Auffassungen des Nationalstolzes, also der Stolz auf sich selbst, weil man einem bestimmten Land angehört, und der Stolz auf Menschen des Landes, weil sie derselben Nation angehören, wie man selbst, gleichermaßen unsinnig sind und deswegen der Begriff des „Nationalstolzes“ zur Gänze verworfen werden kann. Was die Ansicht betrifft, nach der Menschen dankbar sind, einem gewissen Staat zuzugehören, so müssen diese gefragt werden, wem gegenüber sie diesen Dank aussprechen möchten. Sie werden keine vernünftige Antwort darauf finden.

Nun gibt es Menschen, die schlichtweg glücklich sind, die guten Lebensumstände einer Nation genießen zu dürfen, und die sich bewusst sind, dass es einem glücklichen Zufall zu verdanken ist, dass sie dieses Privileg genießen dürfen, und einem unglücklichen, dass andere in schlechtere Umstände geboren wurden. Solche Leute werden sich offen und hilfsbereit gegenüber Zuwanderern zeigen und einem Nationalismus, der nichts anderes ist, als ein verabscheuungswürdiger Egoismus auf staatlicher Ebene, mit besten Mitteln entgegenwirken.

Liebe Grüße,
Mahiat

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