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Der verlogene Menschenfreund

09/12/2013

Eines Abends friert im Winde, der gnadenlos durch Fenster rauscht,

zur weißen Hand des Mannes Kinde, das weinend seinen Worten lauscht.

Er könnt’ im Sommer noch genesen, doch der Winter will nicht geh’n.

Wo stets sein Schlafgemach gewesen, da soll sein Totenbett nun steh’n.

 
Schon müde sagt er diese Worte, als von weit entferntem Orte

sich Glockentöne hoch erheben und in seinem Herzen beben,

ihn erzürnen und erinnernd sich auf seine Seele schlagen,

ihn zermürben und ihn rasch gleich fort zu alten Schmerzen tragen,

dass als Jüngling er sich schämte, sich ob seines Willens grämte,

und wonach er auch getrachtet, stets durch andere hochgeachtet,

er sich selbst nicht recht gefiel. Dass er in dem schwarzen Kleide,

als wohlfeile Augenweide, der Welt sich anbot, sich verkaufte,

im bedeutungslosen Spiel.

Doch so sehr er sich bemühte, der Preis war nichts als purer Hohn.

Er war von kindlichem Gemüte, und verkannte es als Lohn,

und glich auch einem stolzen Knecht, der große Herrenträume lebte,

der über allen Wipfeln schwebte, doch das allenfalls zum Schein:

Schnell empfand er’s abgeschwächt, war er mit sich allein.

Für ihn war’s damals Flucht, für andere ist’s dasselbe heut’:

Dies trieb ihn unter sündhaft’ Leut’, dort redet man sich ein,

des Stalles bester Hahn zu sein.

 
Eines Abends friert im Winde, der gnadenlos durch Fenster rauscht,

zur blauen Hand des Mannes Kinde, das weinend seinen Worten lauscht.

Er hätt’ das Leben nicht ergriffen, er sei im Sterben nun verlor’n,

er habe viel zu spät begriffen, klagt er, schon halb totgefror’n.

 
Und das Kind sah aus dem Fenster zu den Glocken. Grausam’ Zorn.

From → Gedichte

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