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Zur Zeitverschwendung

29/12/2011

Die Weihnachtszeit gilt als Zeit der Besinnung und Ruhe. Es ist nicht unbekannt, dass dies für viele Menschen bloßer Wunsch bleibt, da sie sich von dem Stress, den Besuche und Besorgungen mit sich bringen, kaum lösen können. Ich habe die Zeit genutzt, um ein wenig über ebendiese nachzudenken; und darüber, wie wertvoll sie uns ist, und was wir mit ihr treiben.

Zeit ist Geld, das sagt man oft. Von beidem glauben Menschen meist, viel zu wenig zu haben. Zeit ist Kapital. Wer viel Zeit hat, hat viele Möglichkeiten. Man glaubt, wer die Zeit ungenutzt verstreichen lässt, der sei einer fahrlässigen Verschwendung schuldig. Das, was wir unter Zeit verstehen, ist ein Wertebegriff, und sie ist für uns deshalb wertvoll, weil sie, wie jedes andere besondere Gut, begrenzt ist. Wie wertvoll Zeit ist, hängt wie bei allen Werten vom Subjekt ab und kann objektiv nicht entschieden werden.
Tatsächlich ist der Vergleich von Zeit und Geld nicht an den Haaren herbeigezogen. Wer darüber nachdenkt, wird viele Parallelen zwischen diesen beiden Begriffen erkennen. Zeit lässt sich investieren. Und wie beim Geld gibt es sinnvolle und sinnlose Investitionen. Die übergeordnete Frage, die in diesem Kontext stets zu beantworten ist, ist jene nach dem Zweck. Und wenn wir von Zeitinvestition reden, ist diese Überlegung direkt verwandt mit jener, die sich damit beschäftigt, was wir mit unserem Leben anfangen wollen. Wollen wir berühmt werden, viel Geld verdienen, ein gutes Sozialleben führen? Wie ich in meinen Artikeln bereits mehrmals feststellte, wollen wir alle in jedem Falle glücklich werden. Einzig uneinig sind wir uns oft darin, mit welchen Mitteln wir dieses Ziel erreichen können. Wer glaubt, dass ein hohes Einkommen oder ein hoher Bekanntheitsgrad für das Lebensglück notwendig sind, wird Tage, in denen er sich diesen Zielen nicht gewidmet hat, als verschwendet betrachten. Wer meint, dass soziales Ansehen glücklich macht, und überdies davon überzeugt ist, dass ein gestählter Körper, eine gute Ausbildung oder anderes zu hohem Ansehen führt, wird hart daran arbeiten und sich Faulheit nicht erlauben.
Nicht jeden Menschen machen dieselben Dinge glücklich. In diesem Sinne sollten wir uns fragen, inwiefern wir in der Lage sind zu beurteilen, ob denn ein anderer seine Zeit verschwendet, oder nicht. Ich denke aber, dass der Einfluss eines hohen Einkommens und beruflichen Erfolges auf das persönliche Glück gerne überschätzt wird. Wir sollten uns fragen, ob Erfolg mit Glück tatsächlich in dem derart unmittelbaren Zusammenhang steht, in den wir es tagtäglich bringen. Anders gesprochen: Sind alle beruflich erfolgreichen Menschen glücklich? Nein. Denn neben anderen Gründen gilt, dass beruflicher Erfolg oft Hand in Hand geht mit Stress und gesundheitsschädlicher Auslastung. Wie so oft gilt es auch hier, das richtige Maß zu halten. Und damit bin ich bei dem, was ich zum Ausdruck bringen möchte: Wer im richtigen Maße „Zeit verschwendet“, macht keinen Fehler. Wir tendieren dazu, uns nichts zu erlauben. Wenn jemand an einem Sonntag bis Mittag schläft, nagt oft schon das schlechte Gewissen. Warum? Was ist der Schaden? Erfolgreiche Menschen unterscheiden sich von weniger erfolgreichen oft dadurch, dass sie sich darüber im Klaren sind, zu welcher Zeit Leistung gefragt ist, und zu welcher Zeit nicht. Die goldene Regel des Erfolges: Ist Leistung nicht gefragt, ist Faulheit nicht verboten. Wie so viele dem Glück abträgliche Dinge ist es auch ein Produkt der Leistungsgesellschaft, dass es mittlerweile Menschen gibt, die Erholung, wenn nicht auch sie einem übergeordnetem Zweck entspricht, als Zeitverschwendung betrachten. Natürlich kann Erholung gar keine Zeitverschwendung sein; und dabei ist es unerheblich, wie sie aussieht und wo sie stattfindet: Ob vor dem Fernseher, bei Freunden, beim Computerspiel, beim Sport oder im Bett.

Ich habe mittlerweile in verschiedensten Artikeln davon gesprochen, dass unser aller Ziel ist, glücklich zu werden. Ich habe noch nicht spezifiziert, was ich selbst unter Glück verstehe. Dies wird in einem der nächsten Beiträge geschehen. Soviel sei vorweggenommen: In meinem Glück- und Werteverständnis ist es beinahe unmöglich, seine Zeit zu verschwenden; und wenn ich eine Zeit als verschwendet betrachte, dann jene, in der man sich mit schlechtem Gewissen plagt, weil man sich ein wenig Erholung gegönnt hat. In diesem Sinne dem Leser einen Rat: Hab‘ Mut zur Faulheit in den noch verbliebenen freien Tagen, bevor es im neuen Jahr wieder an die Substanz geht.

Liebe Grüße,
Mahiat

5 Kommentare
  1. Mich plagt fast nie schlechtes Gewissen, wenn ich mal faul bin (und das bin ich am Wochenende und in den Ferien eigentlich immer). Es kann aber sein, dass das bei Erwachsenen anders ist.
    Ich seh auch noch einen anderen Vorteil im „Zeit verschwenden“: Wenn ich nämlich zum Beispiel Fernsehen schaue, dann mit jemandem zusammen; meist mit meinem Bruder. Oft hab ich das Gefühl, dass es unsere innere Bindung noch verstärkt, wenn wir Dinge zusammen machen (und wenn wir uns über die Fernbedienung streiten!). Dann hatte die gemeinsame Faulheit nicht nur den Sinn der Erholung, sondern zum Beispiel auch den Sinn des Familienzusammenhalts, und der ist mir sehr wichtig.
    Und noch eins fällt mir zum Thema ein, ich hab da vor ein paar Jahren ein tolles Buch dazu gelesen. Es ist ein Kinder-/Jugendbuch namens „Die Insel der verlorenen Zeit“. Auch dort wird man dazu angeregt, mal ein bisschen Zeit zu verschwenden und nicht alles unter Stress zu machen.

  2. Man müsste, wenn man sich selbst einen Gefallen tun wollte, den Begriff des „Zeitverschwendens“ im Grunde ganz aufgeben und stattdessen versuchen, in jeder vergangenen Stunde, selbst wenn sie unter einem bestimmten Aspekt noch so sinnlos verbracht scheint, einen Wert zu erkennen. Und tatsächlich hat jede Stunde, die vergangen ist, uns irgendetwas gebracht. Wie du sagst, lässt sich auch in Erholung oft noch ein anderer Sinn (familiär, sozial, sportlich, etc.) finden, als eben reine Erholung.
    Man kann sagen, dass man eine Zeit in Hinsicht auf ein bestimmtes Ziel „besser nutzen“ hätte können. Ich selbst habe aber aufgehört, in irgendeinem Zusammenhang von „Zeitverschwendung“ zu sprechen. Letztendlich ist das aber nur eine Frage von Begrifflichkeiten, oder auch eine Frage von Einstellung.

    PS: Danke für die Buchempfehlung. Ich kenne es leider nicht, werd mich aber mal schlau machen.

    Liebe Grüße

    • Anonymous permalink

      Ich weiß aber nicht, ob man das Buch noch mag, wenn man schon 20 ist. Ich hab es mit 9 gelesen… Andererseits ist mein Bruder 15 und der hat es erst neulich verschlungen.
      Die Idee des Buchs ist, dass alles, was auf der Erde verlorengeht (vor allem sind das Schlüssel und einzelne Socken), auf dieser „Insel der verlorenen Zeit“ landet. Dort gibt es auch Kinder und Jugendliche, die mal verlorengegangen sind und nun dort allein leben und eine eigene kleine Gesellschaft bilden müssen. Die Zeit, die auf der Insel vergeht, ist ausschließlich auf der Erde verlorene Zeit. Solange Leute sich hier hin und wieder mit Chips auf die Couch fläzen, geht Zeit verloren, die dann auf der Insel landet. Das ist wichtig, damit ein Leben auf der Insel möglich ist und sie nicht vernichtet wird.
      Also, wenn dir das zusagt, kannst du mal reinschauen.

      • Anonymous permalink

        Ups, hab das Einloggen vergessen. Die Antwort grad war von mir. Sorry für das Spammen. 🙂

  3. Ich weiß schon, dass du Alea bist. : )
    Ich denke nicht, dass irgendein lesefreudiger Erwachsener mit einem solchen Jugendbuch seine „Zeit verschwenden“ würde. Ich halte mir in diesem Zusammenhang immer gern einen Ausspruch von Kinderbuchautor Ottfried Preußler vor Augen:

    „Wer für Erwachsene schreibt, schreibt ausschließlich für Erwachsene. Wer für Kinder schreibt, schreibt automatisch für Erwachsene mit.“

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