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Hofer, Trump und Brexit

19/11/2016

Österreich ist ein lebenswertes Land. Im internationalen Vergleich zumindest besteht daran überhaupt kein Zweifel. Laut SIPRI-Bericht (2015) ist es eines der sichersten und friedlichsten Länder der Erde. Österreich gehört darüber hinaus auch zu den reichsten Staaten, und die Arbeitslosenquote ist trotz Krise immer noch eine der niedrigsten in Europa. Wien ist seit mehreren Jahren die Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit. Der Lebensstandard steigt auch in anderen Industriestaaten beständig; zumindest, wenn er an solchen harten Zahlen gemessen wird.

Man müsste eigentlich meinen, dass es Demagogen heutzutage besonders schwer hätten. Wie will man ein Volk ängstigen, das in weitgehender wirtschaftlicher Stabilität und in Sicherheit lebt und das die großartigen rechtlichen Errungenschaften der Aufklärung genießt? Tatsächlich ist die Demagogie das politische Rezept unserer Zeit, und sie gelingt vielleicht besser, als jemals zuvor. Die oben genannten Fakten sind nämlich in diesem Zusammenhang völlig bedeutungslos, es ist der subjektiv empfundene Lebensstandard, der die Menschen in ihrer Wahlentscheidung beeinflusst. Die subjektiven Empfindungen der Bürger aber sind nicht an objektive Maßstäbe gebunden. Sie sind vielmehr das Spielzeug der Aufwiegler, der Gegenstand ihrer begnadeten Manipulationen. Man halte sich die folgenden statistischen Tatsachen vor Augen:

  1. Die überwiegende Mehrheit der Wähler Hofers ist nicht von Armut betroffen.
  2. Die überwiegende Mehrheit der Wähler Hofers ist nicht von Arbeitslosigkeit betroffen.
  3. Die überwiegende Mehrheit der Wähler Hofers war noch nie Opfer eines Verbrechens.

Die überwiegende Mehrheit der Wähler Norbert Hofers lebt unter zufriedenstellenden Umständen und würde dies vielleicht auch gar nicht bestreiten. Ihre Wahlmotivation liegt vielmehr in der Angst, dass sich daran in Zukunft etwas ändern könnte. Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist, wie erwähnt, niedrig im internationalen Vergleich; aber sie steigt. Die Situation am Arbeitsmarkt ist schwieriger geworden. Manchen der Ängste liegen also vernünftige Bedenken zugrunde, andere hingegen werden durch die intensive Negativberichterstattung in den Medien künstlich erzeugt und befeuert. Demagogen machen hierbei keinen Unterschied. Sie greifen alle Sorgen dankbar auf, nähren sie, denken sich neue aus. Kein Wähler ist ihnen lieber als der, der sich zu Tode fürchtet.
Während der Aufwiegler sich zurücklehnt und zusieht, wie seine widerliche Saat aufgeht, arbeiten jene, die er „Systempolitiker“ schimpft, an Lösungen für die Probleme. Wie alle arbeitenden Menschen erzielen sie dabei Erfolge und begehen andererseits auch Fehler. Das Rezept der Demagogie verbietet aber natürlich eine derartig differenzierte Betrachtung der politischen Leistung des Gegners. Das Volk soll hingegen glauben, dass diese Menschen Schuld an der Entstehung der Probleme sind, ja dass es ohne sie überhaupt keine Schwierigkeiten geben würde. Dabei sind etwa die Ursachen der steigenden Arbeitslosigkeit in erster Linie in Faktoren wie der Finanzkrise, der zunehmenden Automatisierung oder dem gesellschaftlichen Wandel zu suchen. Trump, Hofer, Farage und Konsorten, sie alle profitieren von solchen Krisen. Während andere mit ihnen kämpfen und unter ihren Auswirkungen leiden, nutzten sie sie für ihren persönlichen Vorteil. Ohne Krise haben sie keine politische Zukunft.

Österreich ist ein lebenswertes Land, aber wir stecken in schwierigen Zeiten. Der Brexit und Trumps Wahl zeigten in aller Deutlichkeit, dass die Menschen dem Establishment die uneingeschränkte Schuld geben und dass sie sich daher nichts mehr als irgendeine Veränderung wünschen. Jeder Preis scheint dafür recht zu sein. Offenbar müssen wir wieder einmal daran erinnert werden, dass nicht jede Veränderung eine Verbesserung darstellt. Den westlichen Demokratien steht jedenfalls eine harte Bewährungsprobe bevor, und es liegt in unserer gesellschaftlichen Verantwortung, den regierenden Agitatoren stets die Grenze aufzuweisen und zu protestieren, sobald sie rote Linien übertreten.

Liebe Grüße
Mahiat

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